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"Gott schafft die Welt, damit wir zu ihm finden"


Christliche Gemeinde!
Liebe Brüder und Schwestern!

Das heutige Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele ist ein strahlendes Fest, ein Fest des Sieges und des Trostes. Und ich glaube, man wirft jetzt oft der Kirche Leibfeindlichkeit und was-weiß-ich-alles vor, ich glaube, dass gerade unsere Zeit ein sehr gespaltenes Verhältnis zum menschlichen Leib und Körper hat.

Auf der einen Seite wird der Leib verherrlicht. Jugendkult, Schönheitsoperationen, viel Äußerliches. Natürlich muss man sich um die Gesundheit kümmern. Das ist keine Frage. Aber es ist nicht das Einzige.

 Auf der anderen Seite geht man mit dem Leib sehr maschinell um. Man betrachtet oft den Leib wie eine Maschine, wo man alles reparieren kann. Der Mensch wird auch oft missbraucht und zerstört. Ich denke an den Krieg, der jetzt da schon jahrelang geht. Was müssen Menschen da mit ihrem Leib erleiden und erdulden.

Das Fest, das heute wir feiern, wurde am 1. 11. 1950 durch Pius XII. und die ganze Kirche im Dogma von der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele bestätigt. Da müssen wir uns überlegen, dass es gerade fünf Jahre her war, dass der 2. Weltkrieg zu Ende gegangen ist. Das war eine der größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Und dann noch die KZs und alles, was den Menschen zugefügt wurde. 

Und da verstehen wir vielleicht auch besser den Sinn dieses Festes, das ja nicht erst seit 1950 besteht, aber das etwas in Erinnerung rufen möchte, was in der Christenheit und nicht nur in der Katholischen Kirche seit den 1. Jahrhunderten immer gefeiert wurde. Das feiern auch die Kirchen des Ostens, die nestorianischen Kirchen, die sich im 4. Jahrhundert von der byzantinischen Kirche abgespaltet hatten. Das heißt das Fest ist eines der ältesten Marienfeste.

Warum ist dieses Fest so kostbar? Die prthodoxen Russen und der Osten überhaupt bringen das mehr in Bildern zum Ausdruck. Und in jeder altrussischen Stadt, im Kreml - Kreml heißt einfach nur Stadt-Festung- ist im Zentrum eine "Maria-Entschlafungskirche", damit der Mensch in der Not des Alltags, in der Ungewissheit, in Kriegszeiten immer wieder den Blick hinrichtet auf das Ziel. Und das Ziel ist letztlich das Leben bei Gott und zwar in Fülle.

Im ersten Gebet haben wir gesagt: „Maria ist das Zeichen der Hoffnung und des Trostes, damit auch wir auf dem Weg bleiben, der uns zur Herrlichkeit führt.“ Damit ist eigentlich alles ausgedrückt: Zeichen der Hoffnung und des Trostes, damit auch wir auf dem Weg bleiben, dass wir wissen: Unser Weg in die Herrlichkeit Gottes hinein. Und das ist eigentlich ein großartiger Gedanke.

Ich denke mir oft, wie dankbar müssen wir sein, dass wir gläubige, praktizierende Menschen sein können, dass wir uns das immer wieder sagen lassen dürfen, dass wir wissen dürfen, wo unser Weg hingeht, dass wir wissen dürfen, dass unser Leben einen Sinn hat, das nicht hier zu Ende ist. Vieles in dem Leben hier bleibt Torso und unvollendet. Der Mensch ist erschaffen, damit er vollendet wird. Das ist doch großartig. Wir können uns nicht selbst vollenden. 

Gerade jetzt in unserer Zeit merken wir immer wieder, wie begrenzt wir sind. Ein kleines Zeichen: Der Strom fällt aus, die Glocken gehen nicht, die Orgel geht nicht - wie heute am Beginn der Hl. Messe. Alles ist selbstverständlich. Aber wie schaut’s im Großen aus? Es braucht nur wenige Grade hinauf und hinunter und wir haben eine Dürrekatastrophe. Es regnet nicht. Es ist nicht alles selbstverständlich. 

Und dieser Gedanke "Wir sind die Herren der Schöpfung" ist falsch. Wir sind immer wieder auch hinfällig, angewiesen. Und da ist es doch ein großartiger Gedanke des Glaubens, eine Wahrheit des Glaubens, kein Hirngespinst, dass der Mensch geliebt ist, dass er erschaffen wurde, damit er vollendet ist. 

Im Epheserbrief heißt es: „Ihr seid vor Grundlegung der Welt dazu bestimmt, seine Kinder zu werden.“ Wir sind quasi die Lieblingsgedanken der Schöpfung. Gott schafft die Welt damit wir zum Ihm finden. Der Mensch ist für die Vollendung bestimmt, für die Vollendung von Gott her, denn wir können sie uns selbst nicht geben. Wir sind begrenzt. Wir sind schwach. 

Und das neue Jerusalem, diese großartige Stadt, wo die Sonne nicht untergeht, weil Gott in ihr wohnt - das Lamm thront in ihrer Mitte. Das neue Jerusalem kommt vom Himmel herunter. Wie oft haben Menschen versucht, diese neue Welt zu schaffen? Letztlich müssen sie alle kläglich scheitern. Die neue Welt kann nur von Gott her geschenkt werden. 

Und das heutige Fest zeigt uns auch, dass Maria eben nicht die Ausnahme ist, sondern die Vorausnahme ist, dass an ihr schon ganz geschieht, was wir erhoffen, dass auch uns geschehen soll. Und sie zeigt uns den Weg der Heiligkeit, dass sie nicht sagt bei der Verkündigung: „Ja, Ja, ich mach das. Ich werd'‘ das schon schaffen.“ Sondern: „Mir geschehe.“ „Mir geschehe, wie du es willst.“ 

Und das ist eigentlich das Vorbild unseres Glaubens, dass wir dann wohl aktiv im Leben  mitarbeiten müssen, aber im Wissen: Das erste und das letzte Wort hat Gott. „Ich bin das Alpha und das Omega.“ „Von A bis Z bin ich zugegen und werde euch dort hin führen.“

Und dieses großartige Bild in der 1. Lesung: „Die Frau mit den zwölf Sternen auf dem Kopf“ fasst alles zusammen: Maria, die Mutter des Messias, zugleich die Kirche, die immer wieder unter Schmerzen Christus der Welt bringt, die Kirche, die immer wieder angefeindet ist: der Drache, der so mächtig auftritt, dass man Angst hat, er könnte alles zerstören. Er ist nicht der Sieger. Sondern der Sieger ist letztlich das Kind, das von Gott entrückt wird und das von nun an auf dem Throne Gottes sitzt und herrscht. Und die Frau, der Gott einen Zufluchtsort geschaffen hat: die Kirche, die nie überwältigt wird. Und der Siegesgesang: „Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten.“ Sind jetzt schon Wahrheiten, die jetzt gelten, die wir aber in der Fülle aber erst dann dort erwarten und sehen werden.
 
Amen.
Abschrift der Homilie von Pfarrer P. Bonifaz Tittel OSB
für die Eucharistie feiernde Gemeinde in Breitenlee, 
15. August 2015 –  Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel 
L1: Offb 11, 19a; 12, 1-6a.10ab
L2: 1 Kor 15, 20-27a
Ev: Lk 1, 39-56

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